Reisen mit Chemikaliensensibilität  
 


Silvia K. Müller / CSN

Gerade in der Urlaubszeit werden viele Chemikaliensensible von grossem Fernweh heimgesucht, wenn Freunde braungebrannt mit neuer Lebenskraft aus fernen Gefilden zurückkehren. Die meisten Betroffenen haben das Thema Urlaub seit Jahren abgehakt. Das Risiko und der Tribut, den sie gesundheitlich zahlen müssen, wenn die Unterkunft nicht tolerabel ist, ist ihnen einfach zu gross. Verständlich. Dennoch wollen wir all jenen Mut machen, die bereits wieder etwas stabilisiert sind, es zu wagen.

Die Infrastruktur für Chemikaliensensible ist in Europa noch nicht besonders gut. Schliesslich wird erst seit wenigen Jahren über das Krankheitsbild gesprochen und meist nur "kontrovers". In den USA sieht es wesentlich besser aus, dort gibt es Hotels, Apartments und Pensionen für Chemikaliensensible, die über alle notwendigen Hilfsmittel und eine adäquate Ausstattung verfügen. Für viele ist leider der Flug über den grossen Teich nicht akzeptabel oder finanziell nicht durchführbar.

Diese Ausarbeitung soll Chemikaliensensiblen helfen, ihren Urlaub gut vorzuplanen, damit er erholsam wird und nicht in einem Desaster endet.

Checkliste Reiseplanung
Ein paar grundsätzliche Fragen helfen den Fokus klar auszurichten:
- Erlaubt der gegenwärtige Gesundheitszustand eine Reise?
- Welche Art des Reisens birgt im spezifischen Fall das geringste Risiko?
- Welche Unterkunft, in welcher Region ist geeignet?
- Verträgt man die warmen oder kühleren Regionen besser?
- Ist das Reizklima von Küstenregionen tolerabel, oder fühlt man sich im Binnenland wohler?
- Ist in der geplanten Urlaubszeit vermehrt mit Allergenen (Pollen, Schimmelpilz, etc.), auf die man reagiert, zu rechnen?
- Ist die Nebensaison besser als die vielbevölkerte Hauptsaison zum Verreisen geeignet?

Oberster Grundsatz wenn man mit schweren Symptomen auf geringste Chemikalienkonzentrationen reagiert: Nicht alleine reisen!!

Sollte niemand aus dem Familien- oder Bekanntenkreis Interesse zeigen, kann eine Kontaktadresse in der "Infobox", im Forum einer SHG Webseite oder Anfrage bei einer SHG für Chemikaliensensible weiterhelfen. Oft findet man auf diesem Wege einen netten Menschen, der ebenfalls betroffen ist und gerne mitreist.

Auto, Flugzeug, Bus, Schiff oder Bahn?
- Ist die Reise mit dem eigenen Auto unproblematischer als ein kurzer Flug?
- Kommt man mit den Desinfektionsmitteln, Duftstoffen und Zigarettenrauch von Mitpassagieren im Zug zurecht? Das gleiche gilt für Schiffe.
- Bietet die gewählte Airline Sauerstoffversorgung als Extra an?
- Werden Pestizide oder Desinfektionsmittel an Bord ausgebracht?
- Ist eine Busreise mit Dieselabgasen und engem Kontakt mit Mitreisenden durchführbar?
   
Für die meisten Betroffenen wird aus Erfahrung am Ende nur das eigene Auto oder das Flugzeug als akzeptable Al-ternative übrigbleiben.


Checkliste Auto
wenn man mit dem eigenen Auto verreist:
- Ist das Auto schadstofffrei?
- Ist tanken möglich, oder benötigt man fremde Hilfe?
- Wenn man mit dem Auto reist, hat man mehr Stauraum für die persönlichen Hilfsmittel als bei gewichtsbegrenztem Fluggepäck.
- Muss man durch industriebesiedelte oder stauanfällige Gebiete?
- Ist ein Autoluftfilter erforderlich oder reicht eine Aktivkohlemaske für Ernstfälle?
- Sind die Reaktionen schwer, so dass es anzuraten ist, dass man Sauerstoff mitführt? (Man sollte auch an einen Stau, Unfall mit Brand, etc. denken)
- Auswahl von stauarmen Strecken (ADAC)


Tanken
Bei langen Strecken muss mehrfach getankt werden, was die Gesamtkörperbelastung drastisch erhöhen kann. Es ist daher einfacher, wenn eine nicht sensibilisierte Person das Tanken übernimmt. Zusätzlich reduziert ein Fahrerwechsel die Anstrengung.

Tipps für den Tankvorgang:
- Eine Aktivkohlemaske für den Tankvorgang und für das Bezahlen tragen
- Bei Einfahrt in die Tankstelle Autoluftfilter auf "high" stellen, Lüftung schliessen
- Handschuhe (Vinyl oder Nitril, falls man auf Latex reagiert) zum Tanken anziehen, um zu vermeiden, dass das Wageninnere nach dem Tankvorgang kontaminiert
- Einweghandschuhe entsorgen, nicht zweimal benutzen
- Beim Aussteigen beachten: nicht in Öl- oder Benzinlachen treten
- Die Zapfpistole auf "langsam" stellen und sich sofort wieder ins Auto setzen und warten, bis der Tankvorgang beendet ist.

Flugreise
Oft ist eine Flugreise das geringere Übel, ganz einfach weil es schneller geht. Die Vorstellung mit dem Zug oder Bus durch halb Europa zu reisen, ist selbst für einen Gesunden nicht sehr angenehm.

Checkliste Flugreise:
Vor der Buchung über das Reisebüro oder den Customer Service der Airline sollten folgende Punkte abgeklärt werden
(Anmerkung: Keine utopischen Forderungen, oder gar Bedingungen stellen, sonst verweigert die Airline den Transport):
- Gibt es einen Direktflug?
- Benutzt die Airline Pestizide oder Desinfektionsmittel an Bord?
- Verlangt das Urlaubsland Desinfektion (z.B. viele afrikan., südamerik. Länder, sowie Neuseeland und Australien geben nur Landeerlaubnis nach Pestizidsprühung)?
- Ist das Flugzeug eines der neuen Baureihen, die unter Umständen Pestizide bereits im Baumaterial des Innenraumes haben?
- Ist es möglich bei schwerer Chemikaliensensibilität mit Sauerstoff zu fliegen (gegen Aufpreis)? Der Sauerstoff wird in diesem Falle von der Airline gestellt. Siehe Anhang.
- Wie ist der Abflug- und Ankunftsflughafen baulich gestaltet? (Teppichboden, nach aussen offene Abfertigung, etc.)
- Muss man auf dem Rollfeld aussteigen? (Kerosin- und Dieselabgase)
- Ist Rollstuhlservice erforderlich? (Muss vorher bei der Reservierung angefordert werden)

Flug:
- Vor der Abflughalle aussteigen, nicht in die Tiefgarage fahren
- Die Begleitperson übernimmt die Formalitäten
- Am Check In Counter Pässe, Tickets und evtl. das Attest für den Sauerstoff vorlegen
- Evtl. darauf verweisen, dass man Rollstuhlservice geordert hat
- Bitten, als Erstes das Flugzeug betreten zu dürfen (dadurch wird verhindert, das man zuviel Parfum, etc. abbekommt)
- Eine ruhige Ecke in der Abflughalle suchen
- Im Flugzeug direkt die Chefstewardess auf die Besonderheiten hinweisen und evtl. um den georderten Sauer-stoff bitten
- Keramikmaske mit Tygonschlauch an die Sauerstoffversorgung anschliessen
- Mitgebrachtes Handtuch oder Decke über den Sitz legen (diese sind oft gereinigt, mit Flammschutzmitteln, etc. ausgerüstet)
- Chefstewardess bitten, auf Parfumtestungen bei Duty free Verkauf und Verteilung von desinfizierten Waschlappen vor der Landung zu verzichten
- Bei Start und Landung zusätzlich zur Sauerstoffversorgung ein kleines Handtuch über die Keramikmaske halten, um zu verhindern, dass man Kerosin- und Dieselabgase einatmet
- Keine Nahrungsmittel oder Getränke konsumieren (Konservierungs- Farb- Aromastoffe, etc.)
- Ausreichend mitgebrachtes Wasser, ev. mit Vit. C konsumieren
- Vor der Landung nochmals auf den georderten Rollstuhlservice hinweisen


Checkliste Leihwagen am Urlaubsort:
Den Leihwagen von zu Hause aus buchen und um Folgendes bitten:
- Nichtraucherfahrzeug
- Möglichst viele Kilometer, kein Neuwagen
- Kein Duftspray oder Teppichshampoo anwenden, nur mit Wasser putzen und saugen
- Eigenen Autoluftfilter mitbringen
   
  Anmerkung: Meist Leihwagen im Land nur gegen Kreditkarte möglich.

Hotel oder Apartment,
diese Frage stellen sich viele. Sicher ist ein Hotel bequemer, doch für Hypersensible birgt die Buchung eines Apartments grössere Vorteile. Grundsätzlich hängt die Antwort auf diese Frage vom jeweiligen Sensi-bilitätsgrad ab. Wenn man unter zahlreichen Nahrungsmittelsensibilitäten, oder Duftstoffsensibilitäten leidet, ist man mit Sicherheit mit einem Apartment besser bedient, da man sich mit eigenen biologischen Nahrungsmitteln selbst versorgen kann, bzw. anderen Gästen mit Duftstoffen leichter aus dem Weg gehen kann.

Checkliste Unterkunft und Region
um örtlichen Gegebenheiten abzuklären und böse Überraschungen zu vermeiden:
Menschen, die einem einen schönen Urlaub bereiten möchten, nicht unter Druck setzen und nicht das Unmögliche fordern. Daran denken, dass man kompromissbereit und fair sein sollte, ohne sich Risiken für die eigene Gesundheit auszusetzen.

Checkliste Urlaubsregion:
- Pollensaison (Pollenreiseplaner besorgen)
- Nahrungsversorgung - Ist ein Bioladen oder ökologischer Bauernhof in der Nähe?
- Industrieansiedlung in der Nähe oder eine Müllverbrennungsanlage?
- Exzessive Landwirtschaft (Insektizide, Herbizide, Kunstdünger, etc.)?
- See oder Teich in der Nähe (Schimmelpilzgefahr)?
- Autobahn oder Schnellstrasse in unmittelbarer Nähe?

Checkliste Unterkunft:
bei der Leitung des Hotels oder der Apartmentanlage abfragen:
- Gesprühte Hotelanlage (Insektizide, Herbizide, Kunstdünger)?
- Pestizideinsatz in den Zimmern?
- Ökologisches Essen?
- Spezielle Nahrungszubereitung (Vollwert- oder Biokost)?
- Ausstattung der Zimmer (Teppichboden, Laminat, Vinyltapete, etc.)
- Verfügt das Haus über ein Schwimmbad (Chlorbelastung, etc.). Ist das Zimmer weit genug vom Pool entfernt?
- Gestrichene Holzvertäfelungen, etc. im Gebäude (Holzschutzmittel zu erwarten)?
- Einsatz von Duftstoffen, Deodorizier, Duftlampen, Massageöle, Aromatherapie?
- Rauchverbot?
- Duftende, chemische Reinigungsmittel?
- Bauarbeiten in unmittelbarer Nähe?
- Derzeit Bau- oder Renovierungsarbeiten auf dem Gelände, oder geplant für die Aufenthaltsdauer?
- Wann wurde das Zimmer zuletzt renoviert?
- Welche Art Heizversorgung ist im Hause (Gas ist unter Umständen ein Problem)?
- Sind die Fenster zum Öffnen?
- Aircondition?
- Offene Kamine?
- Ist das Wasser gefiltert?

Checkliste Anreise:
Folgendes sollte für die Reise besorgt werden (hängt im Einzelnen vom Schweregrad der Sensibilität ab:
- Aktivkohlemaske oder Air Supply Luftfilter zum Umhängen
- Sauerstoff
- Notfallausweis
- Arztbrief mit Diagnose in Englisch oder in Landessprache übersetzt
- Allergiepass
- Arztset für den Notfall (tolerierbare Handschuhe z.B.Vinyl oder Nitril, Papierpflaster, Tygonschlauch, Keramikmaske, etc.)
- Notfallplakette zum Umhängen oder als Armband, mit den wichtigsten Angaben und Telefonnummern
- Medikamente
- Auslandskrankenversicherung
- Wichtige Adressen (Arzt, Familie, SHG, etc.)
- Vitamine, etc. zur Symptomminimierung
- Verträgliche Nahrung (Einfuhrbestimmungen beachten)
- Luftfilter für die Unterkunft (mittlerweile gibt es günstige Reiseluftfilter, die mittels Adapter in Auto und Haus betrieben werden können)
- Eigenes duftstofffreies Putzmittel und -lappen
- Eigenes Bettzeug, Kopfkissen und Handtücher (Stoffbarrierenbettuch aus Baumwolle, schirmt auch z.T. ge-gen Gerüche ab)
- Wasser- und Duschfilter
- Wasser in Glasflaschen für die Anreise und für den Aufenthalt, falls nicht vor Ort erhältlich
- Altpapierfreies Toilettenpapier



Anhang und Referenzliste:

Sauerstoffversorgung
American Association for Respiratory Care, Traveling with Oxygen, 1992

Die meisten Airlines bieten Sauerstoff als Extra gegen Gebühr an. Die US Buslinie Greyhound, die Bahnlinie Amtrak und verschiedene Schifffahrtslinien bieten Sauerstoffversorgung ohne zusätzliche Kosten an. Die Sauerstoffversorgung bei Flugreisen ist immer kostenpflichtig. Fremdabgefüllter Sauerstoff wird aus Sicherheitsgründen nicht akzeptiert.
Erforderlich ist immer ein Attest des behandelnden Arztes und die Angabe der benötigten Menge in Litern pro Minute (gängigerweise 2 Liter pro Minute). Es muss daran gedacht werden, dass herkömmliche Silikonmasken- und Schläuche nicht toleriert werden und das eigene Sauerstoffzubehör, wie Keramikmaske und Tygon- oder Edelstahlschlauch mitgebracht werden müssen.

Urlaubsadressen für Chemikaliensensible:

- www.csn-deutschland.de - Rubrik MCS Alltag & Reisen und Links
- Travel Directory für USA Reisen zu bestellen für 20$ für overseas bei MCSTravel@aol.com,
- www.mcstravel.resourcez.com
- Zeitschrift - Verträglich Reisen, www.vertraeglich-reisen.de
 
 
 
 
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