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Kf 536/99.MZ
In dem berufsgerichtlichen
Verfahren gegen Herrn Dr. P. B., Nervenarzt, 54290 Trier,
- Beschuldigter
-
Beistand: Rechtsanwälte
Herrmann, Hübler und Partner, Christophstr. 6, 70178 Stuttgart,
Antragsteller:
Vorstand der
Landesärztekammer Rheinland-Pfalz, Deutschhausplatz 3, 55116 Mainz,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. Fromm und Partner, Fischtorplatz 20, 55116 Mainz,
hat das Berufsgericht
für Heilberufe bei dem Verwaltungsgericht Mainz aufgrund der Beratung
vom 13. Dezember 2000, an der teilgenommen haben:
Präsident
des Verwaltungsgerichts Dr. Höfel als Vorsitzender,
Kinderarzt Dr.
Wolfgang Kamin, Internist Dr. Josef Schäfer als ehrenamtliche Beisitzer,
beschlossen:
Die Eröffnung
des Hauptverfahrens wird abgelehnt.
Der Landesärztekammer
werden die Gerichtskosten und die dem Beschuldigten entstandenen notwendigen
Auslagen auferlegt.
G r ü n d e
I.
Nach § 69 Abs. 1 HeilBG ist die Eröffnung des Hauptverfahrens
abzulehnen, wenn die Voraussetzungen des § 68 Abs. 1 Satz 1 HeilBG
nicht vorliegen, wenn also nach dem Ergebnis der Vorprüfung das Kammermitglied
einer schuldhaften Berufspflichtverletzung nicht hinreichend verdächtig
ist.
Der Beschuldigte ist Nervenarzt in Trier. Ihm wird vorgeworfen, im Laufe
der Jahre 1997/98 in 9 Fällen im Rahmen von Berufskrankheiten- und
Rentenverfahren an medizinischen Stellungnahmen und Gutachten Kritik geäußert
zu haben, die die Grenzen des kollegialen Achtungsgebots überschritten
und die Gutachter diffamiert und beleidigt und sich somit als Verstoß
gegen § 15 der Berufsordnung für Ärzte in Rheinland-Pfalz
dargestellt haben soll. Im einzelnen liegen dem folgende Vorkommnisse
zu Grunde, wobei sich die Darstellung nicht an dem zeitlichen Ablauf,
sondern an der Wiedergabe in der Antragsschrift der Antragstellerin orientiert:
1. Mit einem an die Staatsanwaltschaft Trier gerichteten Schreiben vom
6.6.1998 hat der Beschuldigte auf Bitten eines Herrn S. zu einem von Frau
Marion Leitner - Ärztin am Gesundheitsamt Trier - gefertigten Aktenvermerk
vom 25.2.1998 Stellung genommen. Dieses Schreiben enthält auf Seite
1 folgende Formulierung:
"Es werden im "Aktenvermerk" somit wichtige dokumentierte
Befunde bewusst ausgelassen, andere Befunde sind objektiv falsch".
Auf der dem Berufsgericht trotz Aufforderung bislang nicht vorgelegten
Seite 2 dieses Schreibens sollen sich folgende weitere Passagen befinden:
"Es werden auch schwerwiegende Fehler bei einfachen neurologischen
Untersuchungen sichtbar: Weder die Polyneuropathie wird erkannt, noch
die schwere Muskelschädigung, obwohl jeder Laie Herrn S. die Verschmächtigung
der gesamten Körpermuskulatur ansieht".
"Der psychische Befund ist völlig unbrauchbar".
"Die Diagnosen werden also verfehlt, heruntergespielt oder bewusst
ausgelassen".
"Es handelt sich bei dem "Aktenvermerk" um eine Verfälschung,
die offensichtlich grob gegen die Pflicht zur wahrheitsgemäßen
und vollständigen Aussage in einem Rechtsverfahren verstößt".
"... das Hinweguntersuchen von toxischen Schäden im Gesundheitsamt
Trier...".
2. In einem weiteren Schreiben des Beschuldigten vom 28.5.1998 an die
Bezirksärztekammer Trier wird den Ärzten des medizinischen Dienstes
der Krankenkassen vorgeworfen:
"Die Methoden im MDK-Gutachten sind absurd, alle Schäden werden
hinweg untersucht".
3. Am 15.9.1997 hat der Beschuldigte im Auftrag eines Herrn Klaus-Dieter
Lorentz aus Merxheim gegenüber dem Sozialgericht Mainz eine ärztliche
Stellungnahme abgegeben. In Bezug auf den Sachverständigen hat er
behauptet:
"Auch bei allgemeinen Grundkenntnissen kann jeder Laie ausschließen,
dass jemand nach 3 Jahren Michelin und nach 15 Jahren Lederfabrik ohne
Schaden davongekommen sein könnte".
4. In einem weiteren, an den behandelnden Arzt von Frau Lieselotte Sauerbeck
aus Merxheim gerichteten Schreiben vom 16.3.1998 hat der Beschuldigte
ausgeführt:
"Wenn falsch negative Befunde bewusst eingesetzt werden, und dafür
spricht hier vieles, so ist das zweifellos eine schwere Verletzung medizinischer
und ethischer Regeln".
5. In einem Herrn Johann Meisenburg betreffenden Schreiben vom 19.6.1998
an den DGB Trier hat der Beschuldigte zu einem Gutachten aus Homburg vom
25.5.1998 folgende Behauptungen aufgestellt:
"Die Klinik hat halt Jahrzehnte lang konsequent solche Schäden
übersehen..."
"Jedes Kind weiß aus dem Fernsehen, dass toxische Stoffe auch
Gefäßschäden machen, insbesondere Infarkt. Jeder Gutachter
sollte es aus dem Casarett/Doull`s wissen. Trotzdem wird dann so getan,
als seien die Gefäßschäden völlig unabhängig
von der Arbeit".
6. In einem Schreiben vom 18.4.1997 an das Sozialgericht Trier hat der
Be-schuldigte in bezug auf den Sachverständigen Prof. Dr. Haaß
folgende Behauptung aufgestellt:
"Zu dem Gutachten Professor Haaß muss man nicht viele Worte
verlieren: Er bedient sich bewusst in den wichtigen Punkten irreführender
Aussagen".
7. In einem Schreiben vom 11.7.1998 an den VDK Kreisverband Ludwigshafen
hat der Beschuldigte für den Patienten Dane Bajan aus Bad Dürkheim
sich wie folgt zu einem Gutachten geäußert:
"Zu dem Gutachten muss man nicht viel sagen: Das Gutachten zeigt
keinerlei Kenntnisse über toxische Schäden...".
"...ein offensichtlicher Verstoß gegen die Mindestanforderungen
in einem Gutachten...". "Nach dem PET sind die Erklärungsversuche
der Industrie-Gutachter Arbeitsschäden als Neurose oder somatotomes
Schmerzsyndrom abzuwiegeln noch so aktuell, wie der Versuch, eine Epilepsie
als Teufelsbesessenheit zu erklären nach Entwicklung des EEG".
8. In einem an Herrn Dr. Schuh gerichteten Schreiben vom 28.7.1998 hat
der Beschuldigte in Bezug auf den Sachverständigen Prof. Dr. Konietzko
folgende Behauptung aufgestellt:
"Die Fiktion, hier gehe es noch um Medizin oder Recht, kann nicht
länger aufrecht erhalten werden".
9. In einem an das Sozialgericht Trier gerichteten Schreiben vom 28.7.1998
hat der Beschuldigte schließlich in Bezug auf den Gutachter Priv.
Doz. Dr. Ulrich Bohm-Audorf ausgeführt:
"Ich bin der Meinung, dass das Gutachten selbst das in BG-Verfahren
zufordernde Mindestmaß an Wahrheit nicht erfüllt".
II.
Der Beschuldigte hat sich im wesentlichen dahingehend eingelassen, niemals
die Absicht gehabt zu haben, die von ihm angegriffenen Kolleginnen und
Kollegen persönlich zu beleidigen. Er habe sich aber stets mit Nachdruck
für seine Patienten eingesetzt und er sei stets bemüht, in deren
Interesse Fehler bei Untersuchungen und Gutachten schonungslos aufzudecken.
Trotz provozierender Härte müssten seine Ausführungen noch
als sachbezogene Meinungsäußerung gewertet werden. Dies vor
allem deshalb, weil Gut-achtern offensichtlich von einem früheren
Werksarzt des BASF in Abstimmung mit Dr. Trarbach vorab "ins Gewissen
geredet" würde. Er selbst würde sich mit der stereotypen
Ablehnung von Leistungen nicht abfinden und deshalb würde eine perfide,
widerrechtliche, massive und existenzvernichtende Hetzjagd auf ihn veranstaltet.
Schließlich würden Patienten von ihm systematisch benachteiligt,
um ihn auf diese Weise zu neutralisieren. Im übrigen seien nicht
seine scharfen Äußerungen Anlass für das berufsgerichtliche
Verfahren, sondern das klägliche Scheitern des Versuchs, gegen ihn
ein Verfahren auf Ruhen der Approbation durchzusetzen. Im übrigen
habe vor Einleitung des berufsgerichtlichen Verfahrens eine Anhörung
weder formal noch inhaltlich stattgefunden. Schließlich seien unbefugt
Patientendaten an Dritte weitergeben worden mit der Folge, dass diese
und damit zusammenhängende Tatsachen und Vorkommnisse in dem berufsgerichtlichen
Verfahren nicht berücksichtigt werden dürften. Das Verfahren
leide an dem Makel "fruit of the poisoned tree" und es verbleibe
letztlich kein verwertbares Ermittlungsergebnis.
III.
Aufgrund der
dem Gericht von der Antragstellerin vorgelegten Urkunden und der Einlassung
des Beschuldigten ergibt sich bei der Vorprüfung gemäß
§ 66 HeilBG, dass bei dem Beschuldigten kein hinreichender Verdacht
einer schuldhaften Berufspflichtverletzung im Sinne des § 68 Abs.
1 Satz 1 HeilBG vorliegt. Ein schuldhafter Verstoß gegen §
15 der Berufsordnung für die Ärzte in Rheinland-Pfalz lässt
sich nicht feststellen.
Bei der Prüfung hat sich für das Berufsgericht zunächst
generell die Frage gestellt, ob der Beschuldigte von der Antragstellerin
ausreichend angehört worden war und ob gegebenenfalls eine fehlerhafte
Anhörung durch das eingeleitete Verfahren geheilt werden kann. Die
von der Antragstellerin angeführte Unterredung bei der Bezirksregierung
Trier kann schon deshalb nicht als Gewährung rechtlichen Gehörs
gewertet werden, da dies nicht im Rahmen der berufsrechtlichen Vorermittlungen
geschah und der Beschuldigte keine Gelegenheit hatte, zu konkreten Vorwürfen
Stellung zu nehmen. Entgegen der Auffassung des Beschuldigten dürfte
ihm jedoch durch Schreiben der Kammer vom 6. und 11.8.1998 hinreichend
Gelegenheit geboten worden sein, sich zu den Vorwürfen 3) bis 9)
zu äußern. Mit dem Vorwurf 1) wurde er demgegenüber vor
Einleitung des berufsgerichtlichen Verfahrens niemals konfrontiert, ebenfalls
nicht bezüglich des Vorwurfs 2). Da trotz Aufforderung des Gerichts
die Seite 2 des Schreibens des Beschuldigten an die StA Trier vom 6.6.1998
(Vorwurf 1) nicht vorgelegt wurde, dürfte zumindest insoweit eine
Heilung der fehlenden Anhörung im anhängigen Verfahren ausscheiden.
Diese formellen Fragen sollen aber ebenso wie die Frage, ob überhaupt
und gegebenenfalls inwieweit Ermittlungsergebnisse wegen angeblicher Verletzungen
datenschutzrechtlicher Bestimmungen unverwertbar sind, nicht weiter vertieft
werden. Denn die Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens scheitert
daran, dass dem Beschuldigten letztlich kein ahndungswürdiges schuldhaftes
Berufsvergehen vorzuwerfen ist.
Nach § 15 Abs. 1 der Berufsordnung für die Ärzte in Rheinland-Pfalz
haben Ärzte sich untereinander kollegial und rücksichtsvoll
zu verhalten. Unberührt hiervon bleibt seine Verpflichtung nach §
12 Abs. 1 BO, in einem Gutachten - auch soweit es die Behand-lungsweise
eines anderen Arztes betrifft - nach bestem Wissen seine ärztliche
Überzeugung auszusprechen. Unsachliche Kritik an der Behandlungsweise
und dem beruflichen Wissen eines Arztes sowie herabsetzende Äußerungen
über seine Person sind berufsunwürdig.
Der Antragstellerin ist einzuräumen, dass dem äußeren
Anschein nach zumindest einige der von dem Beschuldigten in den 9 zum
Gegenstand dieses Verfahrens gemachten Schreiben verwendeten aggressiven
Formulierungen und Äußerungen durchaus als unkollegiales und
rücksichtsloses Verhalten gewertet bzw. zumindest so von den betroffenen
Kolleginnen und Kollegen interpretiert werden können.
Bei der Auslegung des § 15 Abs. 1 BO ist aber zu beachten, dass ein
berufsunwürdiges vorwerfbares Verhalten nicht vorliegen kann, wenn
bei einer beiderseitigen Güter- und Interessenabwägung des verfassungsrechtlich
garantierten Persönlichkeitsrechts (Art. 1 GG) des Betroffenen einerseits
und der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Meinungsfreiheit des sich
Äußernden andererseits die beanstandete Äußerung
durch die Meinungsfreiheit gedeckt und somit gerechtfertigt ist. Dem vorauszugehen
hat die Prüfung, ob die beanstandete Äußerung überhaupt
ehrverletzend ist, da nur dann von einem Berufsvergehen die Rede sein
kann. Es muss zunächst der Sinn der umstrittenen Äußerung
erfasst werden, wobei es hierbei weder auf die subjektive Absicht des
sich Äußernden noch auf die subjektive Wahrnehmung des von
der Äußerung Betroffenen ankommt. Maßgeblich ist vielmehr
der Sinn, den eine Äußerung - unter Berücksichtigung des
allgemeinen Sprachgebrauchs - nach dem Verständnis eines unbefangenen
und verständigen Publikums objektiv hat (vgl. BVerfG, NJW 1995, 3303).
Hinsichtlich der letztlich entscheidenden Frage, wann ein Angriff auf
die Ehre als widerrechtlich anzusehen ist und wann er nach der Rechtsordnung
-weil durch das Recht auf freie Meinungsäußerung oder durch
die Wahrnehmung berechtigter Interessen seitens des Angreifers gedeckt
- hingenommen werden muss, kommt es maßgeblich darauf an, ob die
ehrverletzende Äußerung Tatsachenbehauptungen oder Werturteile
zum Gegenstand hat (vgl. hierzu z.B. BVerfG, NJW 1996, 1529; NJW 1992,
1439; NJW 1992, 1442; NJW 1999, 1322 und NJW 1999, 3326; BGH, NJW 1996,
1131; OLG Koblenz, NJW-RR 1998, 750; OLG Köln, NJW-RR 2000, 829).
Tatsachenbehauptungen beziehen sich auf die objektive Wirklichkeit, sind
also dem Beweis als "wahr oder unwahr" zugänglich (vgl.
BVerfG, NJW 1994, 1779; BGH, NJW-RR 1999, 1251; OLG Koblenz, NJW-RR 1998,
750; OLG Brandenburg, NJW 1999, 3339, 3341). Bewusst unwahre, aber auch
ohne weiteres erkennbar unwahre Tatsachenbehauptungen können durch
das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht gedeckt sein; denn
an der Aufrechterhaltung und Weiterverarbeitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen,
die als unwahr erkannt wurden, kann auch unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit
kein schützenswertes Interesse bestehen (BVerfG, NJW 1996, 1529;
NJW 1997, 1439, 1441). Bei nicht erweislich wahren Tatsachenbehauptungen
muss eine Abwägung zwischen den Interessen des Äußernden
und den Interessen des Betroffenen vorgenommen werden: Beruht die Behauptung
auf einer sorgfältigen Recherche und besteht ein sachliches Interesse
des Äußernden an der Weiterverarbeitung oder ein Interesse
der Allgemeinheit an einer Information, überwiegt außerhalb
von Bereichen, die die Intim-, Privat- oder Vertraulichkeitssphäre
des Betroffenen berühren, regelmäßig das Grundrecht des
Art. 5 I GG den Ehrenschutz des Betroffenen (BVerfG, NJW 1999, 1322; BGH,
NJW 1993, 525, 527; Soehring, NJW 1997, 360, 364). Wahre Tatsachen schließlich
dürfen - mit im vorliegenden Fall nicht interessierenden Ausnahmen
- grundsätzlich verbreitet werden (vgl. BVerfG, NJW 1993, 1464; NJW
1999, 1322; OLG Brandenburg, NJW 1999, 3342; Soehring, NJW 1997, 360,
367).
Werturteile dagegen, also Stellungnahmen des Äußernden, die
die subjektive Beziehung des Äußernden zum Gegenstand seiner
Äußerung widerspiegeln und auf Tatsachen beruhen können,
aber keinesfalls müssen, sind grundsätzlich frei, ohne dass
es darauf ankäme, ob die Äußerung wertvoll oder wertlos,
richtig oder falsch, begründet oder grundlos, emotional oder rational
ist (BVerfG, NJW 1997, 1439, 1440). Auch eine überspitzte und polemische
Kritik muss grundsätzlich hingenommen werden (BVerfG, NJW 1991, 95;
NJW 1992, 1439, 1441; OLG Brandenburg, NJW 1999, 3339). Erst wenn bei
einer Meinungsäußerung nicht mehr die - wenn auch polemische
- Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund steht, sondern die Person
des Betroffenen, die verletzt, beschädigt, geschmäht werden
soll (so genannte Schmähkritik, die insbesondere - aber nicht nur
- im Fall von Formbeleidigungen zu bejahen ist), muss das Grundrecht der
Meinungsfreiheit hinter dem Schutz des Persönlichkeitsrechts des
Betroffenen zurücktreten (vgl. BVerfG, NJW 1992, 1439, 1441; NJW
1991, 95; NJW 1995, 3303; NJW 1999, 3326).
Unter Berücksichtigung dieser Ansatzpunkte und rechtlicher Grundsätze
ist festzustellen, dass dem Beschuldigten nicht vorgeworfen werden kann,
sich durch unwahre Tatsachenbehauptungen unkollegial verhalten zu haben.
Den Beteiligten ist mit gerichtlichem Schreiben vom 9.6.1999 mitgeteilt
worden, dass überwiegend Tatsachenbehauptungen des Beschuldigten
gerügt werden, daneben auch medizinische Bewertungen und Beurteilungen.
Da die einzelnen zugrunde liegenden Verfahrensunterlagen, Befunderhebungen
und Gutachten nicht übermittelt worden sind, könnte eine wertende
Überprüfung - so der weitere richterliche Hinweis - nicht möglich
sein. Zumindest müsste vorgetragen werden, welche Tatsachenbehauptungen
des Beschuldigten objektiv falsch sind. Da hierzu bislang substantiiert
noch keine Äußerungen vorliegen, muss mangels abweichender
Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass die von dem Beschuldigten
in den 9 Schreiben aufgestellten Tatsachenbehauptungen zutreffen und somit
für sich allein betrachtet keine vorwerfbare berufsunwürdige
Äußerungen darstellen.
Als Beispiel hierfür sei einmal die von der Antragstellerin gerügte
Behauptung des Beschuldigten in seinem Schreiben vom 6.6.1998 (Vorwurf
1) angeführt, im Aktenvermerk seien wichtige dokumentierte Befunde
bewusst ausgelassen worden und andere Befunde seien objektiv falsch. Hierbei
handelt es sich um Tatsachenbehauptungen, deren Wahrheitsgehalt nicht
substantiiert in Abrede gestellt worden ist. Zudem sei angemerkt, dass
der Beschuldigte für diese Aussage auch eine Begründung gegeben
hat, die ebenfalls nicht bestritten worden ist. Er hat nämlich im
Satz zuvor dargelegt, dass bei der Untersuchung im Gesundheitsamt die
Untersuchungsbefunde aus seiner Praxis vollständig vorgelegen hatten.
In den nachfolgenden Sätzen begründet er nun einzelne Auslassungen
und legt dar, warum dies aus seiner Sicht bewusst geschehen war. Eine
Auseinandersetzung hiermit fehlt, die dem Schreiben des Beschuldigten
zugrunde liegenden einzelnen Vorgänge - vor allem der angeführte
Aktenvermerk -sind nicht zu den Gerichtsakten eingereicht worden.
Als weiteres Beispiel sei das Schreiben des Beschuldigten vom 18.4.1997
(Vorwurf 6) angeführt. Bei der Äußerung des Beschuldigten,
Prof. Haaß bediene sich bewusst in den wichtigen Punkten irreführender
Aussagen, handelt es sich ebenfalls im Kern um eine Tatsachenbehauptung,
deren Richtigkeit nicht in Abrede gestellt worden ist. Auch hier sei angemerkt,
dass der Beschuldigte seine Aussage mit einem Beispiel über das SPECT
verdeutlicht und eine für das Gericht nicht ohne weiteres widerlegbare
Begründung anführt.
Es verbleibt die Prüfung, ob die verbleibenden Meinungsäußerungen
des Beschuldigten sich insgesamt oder zumindest in einzelnen Formulierungen
als nicht gerechtfertigte Schmähkritik darstellen, wobei im einzelnen
aber darauf verzichtet werden soll, jede gerügte Formulierung daraufhin
zu untersuchen, ob es sich wirklich um eine Meinungsäußerung
oder letztlich doch um eine in diesem Zusammenhang dann nicht mehr relevante
Tatsachenbehauptung oder gutachterliche Schlussfolgerung handelt. Denn
die gerügten Äußerungen des Beschuldigten erscheinen dem
Berufsgericht im Rahmen der gebotenen Güterabwägung - gerade
noch - durch die in Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsfreiheit
gedeckt und somit gerechtfertigt.
Bei der Würdigung der in den 9 Schreiben enthaltenen Passagen darf
nicht verkannt werden, dass sie in einem Zusammenhang mit anderen Aussagen
und Begründungsversuchen des Beschuldigten stehen, wie oben an den
zwei Beispielen für Tatsachenbehauptungen veranschaulicht wurde.
Schon hierdurch relativieren sich einzelne Behauptungen und Meinungsäußerungen
und verlieren teilweise an Schärfe. Entscheidend für das Berufsgericht
war aber die Überzeugung, dass es dem Beschuldigten letztlich doch
immer noch um Sachauseinandersetzungen geht, die zwar teilweise mit beißender
Kritik und überwiegend polemisch ausgetragen werden, die aber dennoch
dem Ziel dienen, allein im Interesse von Patienten angeblich fehlerhafte
Befunderhebungen und Begutachtungen aufzudecken. Nicht die Person, sondern
das Gutachten wird angegriffen, angebliche Fehler werden dargestellt,
das Nichtberücksichtigen medizinischer Erkenntnisse wird gerügt
und wegen dieser angeblichen Fehler und Auslassungen wird beispielsweise
wie im Schreiben vom 19.6.1998 (Vorwurf 5) behauptet, die Klinik habe
jahrzehntelang konsequent solche Schäden übersehen - was sich
im Kern um eine Tatsachenbehauptung handelt - und es wird das abschließende
- von der Antragstellerin im übrigen nicht gerügte - Werturteil
gefällt, das Gutachten habe wenig Qualität. Der Beschuldigte
hat nicht eigensüchtig gehandelt und - das nimmt ihm das Gericht
ab - er ist davon überzeugt, dass die Schulmedizin die toxischen
Probleme und Verursachungen nicht zeitgemäß beurteilt. Ob seine
oder die von seinen angegriffenen Kolleginnen und Kollegen vertretenen
medizinischen Feststellungen, Schluss-folgerungen oder Hinweise zutreffen,
vertretbar sind oder gar als falsch qualifiziert werden müssten,
darf und kann für das Gericht bei seiner Würdigung, ob ein berufsunwürdiges
Verhalten vorliegt, nicht ausschlaggebend sein.
Besteht somit kein hinreichender Verdacht einer schuldhaften Berufspflichtverletzung,
muss gemäß § 69 Abs. 1 HeilBG die Eröffnung des Hauptverfahrens
abgelehnt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 94 Abs. 2 HeilBG.
RMB 112
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen
Beschluss steht dem Antragsteller gemäß § 69 Abs. 1 Satz
2HeilBG die Beschwerde an das Landesberufsgericht für Heilberufe
beim Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu.
Die Beschwerde
ist bei dem Berufsgericht für Heilberufe beim Verwaltungsgericht
Mainz (Hausadresse: Ernst-Ludwig-Str. 9, 55116 Mainz; Postanschrift: Postfach
41 06, 55031 Mainz) schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten
der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des
Beschlusses einzulegen.
Die Beschwerdefrist
ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Landesberufsgericht
für Heilberufe beim Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (Hausadresse:
Deinhardplatz 4, 56068 Koblenz; Postanschrift: 56065 Koblenz), eingeht.
gez. Dr. Höfel
gez. Dr. Kamin gez. Dr. Schäfer
Ausgefertigt:
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
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